Reform der Zulassung zum Medizinstudium – Eingriff in die Berufsfreiheit?
Der „Masterplan Medizinstudium 2020“, entworfen von Bundesministerien und Vertretern der Deutschen Hochschulmedizin, soll die Überbetonung der Abiturnote bei der Auswahl der Bewerber verhindern. Doch dafür vorgeschlagene Verfahren halten wir für fragwürdig.
Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit der geplanten Reform der Zulassung zum Studium der Humanmedizin ist für uns: Wie können geeignete Bewerber chancengleich, zielgerichtet, fair, hochschulübergreifend vergleichbar und gesetzeskonform ausgewählt werden?
Nicht nur der Marburger Bund als Interessenvertretung der angestellten und beamteten Ärzte Deutschlands findet das momentane Verfahren der Auswahl – überwiegend nach Abiturnote – nicht sachgerecht. Weitere wichtige Aspekte der Berufswahl wie Motivation und soziale Kompetenz würden dabei nicht berücksichtigt.
Ob allerdings das im genannten „Masterplan“ beschriebene Losverfahren besser geeignet ist, steht für uns zur Diskussion. Danach sollen sich Studienbewerber mit mittelmäßigem oder schlechtem Abitur zukünftig nur noch insgesamt dreimal bewerben können. Bessere Abiturnoten würden auch hier „leistungsgesteuert“ bessere Chancen bedeuten. Jedes Mal entscheidet dann das Los, nicht die Wartezeit.
Tatsächlich ist letztere laut des Medizinischen Fakultätentages heutzutage unangemessen lang – fallweise länger als die eigentliche Regelstudienzeit. Hier muss also dringend Abhilfe geschaffen werden, zumal längere Wartezeiten nachweislich schlechtere Studienergebnisse nach sich ziehen.
Die von den am Masterplan Beteiligten favorisierte Idee besagt, dass die Auswahl nach Abiturnoten und das nachgeordnete Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) zusammengefasst und ergänzt werden sollen. Ein 1,0-Abitur sei dann kein Freifahrtschein zum Medizinstudium mehr, geprüft würden dann auch Motivation, soziale Kompetenz und das Vermögen, naturwissenschaftliche Probleme zu lösen. Ein bundesweit einheitlicher Eignungstest als Ergänzung oder Erweiterung des schon jetzt freiwillig zu absolvierenden Studierfähigkeitstests TMS (Test für medizinische Studiengänge), soll hier weiterhelfen.
Wir stimmen mit dem Marburger Bund darin überein, dass die wichtigste Maßnahme eine Aufstockung der Studienplätze ist. Er weist darauf hin, dass nach der Wiedervereinigung und trotz steigenden Bedarfs die DDR-Studienplätze einfach wegfielen. Heute vorhandene Plätze deckten keineswegs den Bedarf und es bestünde die Gefahr eines „Medizinstudium light“ an privaten und kostenpflichtigen „Medical Schools“.
Zudem müssten die bloßen „Teilstudienplätze“ abgeschafft werden. Das Studium dürfe nicht mehr länger in Vorklinikum und Klinikum unterteilt, sondern müsse nach praxisrelevanten und wissenschaftlichen Kriterien zusammengefasst werden. Im bisherigen Verfahren können Bewerber durch Los oder Klage einen Teilstudienplatz für das Vorklinikum erreichen und müssen anschließend mit ihrer nochmaligen „Stillegung“ rechnen, da die Plätze im Klinikum durch ihre Bindung an Bettenzahlen zusätzlich begrenzt sind.
Insgesamt schließen wir uns deshalb der Forderung des Marburger Bundes an, eine neue Methode zur Berechnung geeigneter Kapazitäten zu entwickeln, die flächendeckend finanziert „sowohl versorgungspolitische Engpässe als auch das Grundrecht der Bewerber auf freie Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 GG berücksichtigt“.
Wir raten betroffenen Bewerbern um einen Studienplatz in Humanmedizin deshalb ausdrücklich, gerade angesichts der zu erwartenden Reform durch Klage auf den vorhandenen Kapazitätsmangel aufmerksam zu machen. Denn wer sich erfolgreich in ein Medizinstudium „einklagt“, weist den Fakultäten nach, dass sie mehr Kapazitäten haben als zugelassene Studenten. Die Chancen stehen gut, der Ärztebedarf ist immens. Besonders auf dem Land fehlen Allgemeinmediziner.
Ob die daraus entspringende Forderung nach einer „Landärztequote“ berechtigt ist, sei zunächst dahingestellt. Zusammengefasst ist für uns die geplante Reform in ihrem jetzigen Stadium ein zumindest in Teilen unzulässiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit. Wir werden uns als Anwälte dagegen aussprechen und mit unseren Mandanten für ihr Grundrecht kämpfen. In seiner jetzigen Form verstößt der „Masterplan Medizinstudium 2020“ jedenfalls gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.